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Wenn sich Schwermut auf mich legt ...

Aktualisiert: 26. Jan.

Dunkle Wolke
Dunkle Wolke

Das ist heute ein sehr persönlicher Beitrag, eine persönliche Erfahrung, die ich gerne mit euch teilen möchte, weil ich mir gut vorstellen kann, dass meine Erfahrung auch für dich inspirierend sein kann, mit unangenehmen Gefühlen neu umzugehen.


In letzter Zeit kam es immer wieder mal vor, dass ich mich schwermütig, lustlos und eher antrieblos erlebte. So eine Stimmung, in der mich gar nix freut. Das kommt  bei mir erfreulicherweise nicht allzu oft vor. Umso verstörender, wenn sich diese dunkle Wolke über mir verdichtet.

Ich bin sehr froh, dass ich Focusing als sehr heilsame Methode zur Verfügung habe, um solchen Stimmungen auf den Grund zu gehen, bzw. sie näher kennen zu lernen, ihnen begegnen zu können, damit sie sich wandeln können.


So habe ich mich bei meiner letzten Sitzung meiner Schwermut gewidmet. Ich mache Focusing sehr regelmäßig. Das gehört zu meiner Seelenhygiene. Mein Körper wird auch täglich geduscht und gesalbt, warum sollte ich nicht auch meiner Seele regelmäßig die Möglichkeit geben, sich zu reinigen.


So habe ich mich in Begleitung einer Focusing-Freundin in eine angenehme Sitzposition gebracht, die Augen geschlossen, ein paar tiefe Atemzüge genommen, um ganz bei mir anzukommen. Das Denken darf Pause machen, jetzt ist Spüren angesagt. Ich nehme mein Atmen wahr, ich nehme meinen Körper wahr. Dann widme ich mich der Schwermut. Ich lasse mir Zeit, um zu erkunden, wie sich diese Schwermut zeigt, wie oder wo ich sie spüren kann. Das braucht mitunter etwas Geduld. Ich habe Zeit. Sehr bald taucht das  Bild auf, dass sich die Schwermut so anfühlt wie ein Wolke, die auf mir liegt, eine dunkle, watteähnliche graue Wolke, die ganz über mir liegt. Ich sehe mich im Bett liegend und die Wolke liegt auf mir drauf und deckt alles von mir ab, sie hat mich komplett eingehüllt.


Nun ist es wichtig, mit dem zu bleiben, nichts zu wollen, nichts zu erwarten (!), nichts zu bewerten, sondern vielmehr diesem Bild, dieser Wahrnehmung Zeit zu geben, mit dem zu sein.

So liege ich (gedanklich) im Bett und die dunkelgraue Wolke über mir. Sie scheint meine Lebensfreude zu ersticken, sie erzeugt in mir das Gefühl von Ohnmacht. Ich kann nichts tun.

Da taucht plötzlich eine Erinnerung aus meiner Kindheit auf, in der ich ein ganz ähnliches Empfinden hatte. Ich liege am Boden, am Rücken, mein Bruder sitzt auf mir, hält meine Handgelenke auf den Boden gedrückt. Er hat gesiegt. Anscheinend ist diesem Sieg irgendein kindliches Gerangel vorangegangen, jedenfalls die aktuelle Lage zeigt eindeutig: Ich habe verloren. Ich habe keinerlei Möglichkeit mich zu befreien. Mein großer Bruder ist größer als ich und er ist auch eindeutig stärker. Widerstand ist zwecklos. In dieser Lage gilt nur eines: Abwarten. Abwarten, bis er seinen Sieg hinreichend ausgekostet hat, seine körperliche Überlegenheit ausreichend demonstriert hat, sodass er gnädig loslassen kann. Mir bleibt also nichts, als diesen ersehnten Moment abzuwarten.


Wenn ich dann wieder zu dem Bild der Wolke zurückkehre, zu der jetzigen Situation – und nicht in der kindlichen Erinnerung hängen bleibe – dann macht sich ein wesentlicher Unterschied bemerkbar: Die Wolke kann mich nicht festhalten, sie kann mich nicht fixieren. Sie liegt zwar auf mir, aber ich kann ihr entkommen. Ich kann wie unter einer Daunendecke seitlich herausschlüpfen. Ich bin nicht wehrlos, ich muss nichts abwarten, ich kann mich bewegen, entkommen, mich befreien.


Was für ein Sieg! Ich kann das! Ich bin nicht ausgeliefert. Seitlich herausgeschlupft bin ich dem Dunkelgrau entkommen. In der Sekunde melden sich die Zuversicht und Lebensfreude. WOW!


Ach, wie ich Focusing liebe!


Diese Beschreibung zeigt einen ganz persönlichen Prozess, der genau in der Situation stattgefunden hat. Wenn ich meine Schwermut ein anderes Mal erforsche – falls sie irgendwann wieder auftauchen sollte - wird sie sich vielleicht wieder anders zeigen. Bei jedem Menschen kommen andere Empfindungen, Bilder, Gefühle. Es tauchen auch nicht immer Erinnerungen auf. In dem Fall war es hilfreich, weil der Unterschied von Hilflosigkeit zu Selbstwirksamkeit so schön sichtbar wurde.


Vielleicht kann dir das Bild dennoch helfen, falls die Schwermut auch bei dir manchmal auf Besuch kommt. Die dicke wiener Nebeldecke lädt ja mitunter dazu ein.


(Während des ganzen Textes kam es mir so seltsam vor, dass DIE Schwermut weiblich ist. Aber DER Schwermut klingt auch nicht besser…vielleicht ist Schwermut inter?)


Wenn dich Focusing interessiert, so kannst du es bei mir gerne  einmal kennenlernen. Es ist so eine sanfte, einfache, wirksame, heilsame, behutsame, feine Methode und ich kann nicht aufhören zu staunen, was bei Focusing-Prozessen alles passieren darf. Es wäre so wunderbar, wenn das schon in Schulen unterrichtet würde, so hätten die SchülerInnen eine echte Vorbereitung aufs Leben. So könnten sie Seelenhygiene so selbstverständlich betreiben wie Körperhygiene. Das bräuchte die Welt!!


Meine Hoffnung besteht darin, dass es zwar noch dauern wird, aber dass irgendwann einmal die Seelenhygiene so eine Selbstverständlichkeit haben wird wie duschen und Zähne putzen – das war ja vor einigen Generationen auch noch nicht selbstverständliche, tägliche Routine.


 

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