In letzter Zeit bin ich immer wieder mal wirklich tief traurig. Wenn ich die Bilder sehe, was auf dieser Welt gerade geschieht, dann kommen manchmal die Tränen. Und erschüttert bin ich auch - dass so etwas möglich ist! Wie kann das sein?! Krieg. Niemals hätte ich gedacht, dass in Europa so etwas möglich ist. Wir sind wirklich gerade sehr gefordert. Nach zwei Jahren Pandemie, auf einer Erde, die auf einen Kollaps zusteuert und dann noch der Krieg dazu. Wieviel können wir verkraften? Wie kann ich gut damit umgehen?
Was mir dann hilft, ist inne zu halten und mir klar zu machen: „Etwas in mir ist traurig.“ Das mag seltsam klingen, aber es ist die Idee, dass wir viele Anteile in uns haben. Ich habe einen Anteil in mir, der traurig ist. Es ist wichtig, diesem Gefühl Raum zu geben, es zuzulassen, anstatt es nur weg zu schieben. Es darf so sein. In diesem Annehmen kann es heilen. Es gibt auch einen Anteil, der erschüttert ist. Auch der darf da sein. Aber ich habe auch einen Anteil in mir, der zutiefst dankbar ist. Dankbar dafür, dass wir hier in Österreich Frieden haben. Dankbar dafür, dass ich eine Wohnung habe, dass ich gesund bin und frische Luft atmen kann. Und ich hab einen Anteil in mir, der immens happy ist, dass der Frühling gerade volle Kanne loslegt und alles sprießen lässt.
Wie beim April-Wetter liegen die inneren Wetterlagen grad so nah beieinander: Sonne, Regen, Blitz, Donner und wieder Sonne. Es gibt also Trauriges, Erschüttertes aber auch Dankbares und Erfülltes in mir. Und natürlich noch viel mehr.
Die Frage ist nun: Welche Anteile bekommen mehr Raum, mehr „Futter“, mehr Zeit von mir? Darüber kannst du selbst bestimmen! Sei dir dessen bewusst!
Es macht einen Unterschied, ob du dir nach der Arbeit stundenlang Nachrichten und Kriegs-Talkshows anhörst, oder ob du noch eine Runde spazieren gehst und dann ein feines Buch liest und dazu gute Musik hörst.
Das heißt ja keineswegs, das Schwierige auszublenden oder zu negieren – nein! Ganz im Gegenteil, es ist wichtig, dem Traurig Sein auch zuzuhören, es da sein zu lassen, es zu integrieren. Aber es hilft nicht, dem Traurig Sein 24h zu schenken. Und wenn das Traurig Sein allzu übermächtig wird: Dann hol dir bitte Unterstützung. Wenn du zu Zahnweh hast gehst du ja schließlich auch zum Zahnarzt.
Und noch etwas:
Sehr oft höre ich in letzter Zeit diese zweifelnde Frage: Aber darf ich denn glücklich sein, wenn gerade etwas so Schreckliches geschieht?
Meiner Ansicht nach verdient diese Frage ein eindeutiges JA als Antwort. Wem nütze es etwas, wenn du in Traurigkeit, Verzweiflung und Resignation versinkst?
Besser ist es, die eigene Energie hoch zu halten, die Lebensfreude zu nähren und aus dieser Kraft heraus einen Beitrag zu leisten. Damit es wieder heller werden kann. Überall.
Danke für den wunderbaren Text, er berührt mich sehr.
Danke für die Aufmunterung. Mein Gedanke dazu: Traurig über diesen Krieg zeitweise ok, aber welche "Konflikte" habe ich um mich? In der Familie, als Autofahrer, Nachbar, etc.? Gibt es da nicht auch viel Friedenspotential wo ich aktiv werden kann? LG otto
Danke für die Zeilen, genau diese Situation erlebe ich auch ... und auch ich raffe mich dann wieder auf, lasse die Traurigkeit stehen - ja sie ist da ... und widme mich trotzdem Dingen die ich gerne tue und Menschen, die ich mag! Christian Aichmayr